Hinein in die Finsternis – Gedenkfeier zum 70. Jahrestag der Pogromnacht

Innerhalb eines Telefongesprächs mit Herrn Dr. Vees erhielt ich „grünes Licht“ zur Veröffentlichung seines Berichtes zur Gedenkfeier in der „alten Synagoge, Hechingen am 09. 11. 2008. In Zusammenhang mit der Vernetzung der Gedenkstätten „Oberer Neckar und Zollernalbkreis“ (siehe Beitrag am 08.11.08) erscheint es mir durchaus angemessen auch Berichte aus dem von Bisingen nur wenige Kilometer entfernten Hechingen und Haigerloch aufzunehmen. Genau so, wie Dr. Vees hier berichtet haben wohl alle Zuhörer diesen Abend erlebt!  An dieser Stelle an Herrn Dr. Vees noch einmal herzlichen Dank – Uta Hentsch

Hinein in die Finsternis –
von Dr. Adolf Vees, Hechingen, erschienen in der Hohenzollerischen Zeitung am 11. November 2008

Wortlos und von Schmerz ergriffen gingen die Besucher der Alten Synagoge nach der Gedenkfeier zum 70.Jahrestag der Pogromnacht auseinander.

Hechingen. Die Menschen waren nicht nur aus der Stadt gekommen, sie waren angereist aus Tübingen und Reutlingen, aus Balingen und Albstadt, aus Rottweil und aus Freudenstadt. Aber nicht nur die Alten waren da, die noch Kindheitserinnerungen an die böse Nacht von vor 70 Jahren haben mochten, man sah auch die Jungen. Und jedermann, der die Texte von Elie Wiesel hörte, des Mannes. Der die Hölle von Auschwitz erlebte, der als Gezeichneter und Verwandelter um Sinn und Worte ringt, wurde in dieser Nacht stumm und ratlos.

Das Grauen erfasste die Menschen, als Rudolf Guckelsberger aus Wiesels Büchern „Nacht“ und Gezeiten des Schweigens“ las, es kroch unter die Haut und ließ die Körper erbeben. Man fragt sich, ob dem nächsten Satz noch standhalten würde, ob man noch einen Augenblick Kraft finden werde, sich den Bildern auszusetzen, die Elie Wiesel in seiner Erinnerung aufrief. Wie in Erstarrung verharrten die Menschen, und wäre nicht die wunderschöne Musik des Sextetts um Raphael Schenkel mit seiner Klarinette gewesen, so hätte es an diesem Abend kein Atemschöpfen und keine Hoffnung gegeben.

So melancholisch und heiter, so leichtfüßig und besinnlich die Melodien von Sergej Prokofjew und Joseph Achron auch sein m mochten, so lebensvoll sie aus den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts auch erzählen mochten, vertieften sie doch den Schmerz über die verlorene und untergegangene Welt der Juden von Mittel- und Osteuropa. Der Abend hatte die Menschen in Einsamkeit und Isolation geführt, sie gingen wortlos auseinander. Sie hatten eine Realität erfahren, die sie nicht fassen konnten. Um es mit Worten von Elie Wiesel zu sagen: sie hatten erahnt, was es heißt: Sobald man aufbricht zu begreifen, erreicht man die Finsternis.

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Fotos: U.Hentsch

Das Hechinger Heimweh – von Dr. Adolf Vees – Der Autor erzählt von Schicksal und Heimweh der Hechinger Juden. Er schrieb auf, was ihm Alfred Weil in New York, Grete Model aus Sao Paulo und viele andere geflohene, vertriebene Hechinger berichteten und was alteingesessene Bürger aus der jüdischen Welt Hechingens noch wußten.

Silberburg-Verlag, ISBN – 3-87407-256-8

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