Reden zur Eröffnung der Ausstellung „Schwierigkeiten des Erinnerns“ am 03. November 1996

gaste_plenum-1996Foto Gemeinde Bisingen, von rechts nach links: Herr Arbeid mit Gattin, Herr Fischel, Herr Gunsberger mit Gattin, Ehepaar Nieschawer

Auszug aus den Amtlichen Nachrichten vom 15. November 1996 :

Rede von Bürgermeister Egbert Zäh zur Eröffnung der Ausstellung „Schwierigkeiten des Erinnerns“  im Heimatmuseum Bisingen, Kirchstraße 15:

Sehr geehrte Gäste,
heute können wir das neue Heimatmuseum gleich nebenan mitten im Ort neben der Kirche im umgebauten Emmerichhaus eröffnen. Wegen des engen Raumes im Heimatmuseum mußte die Eröffnungsveranstaltung hierher verlegt werden. Bestimmt haben sich die Mitglieder des Heimatvereins, die sich für die Errichtung eines Heimatmuseums sehr einsetzten, vor Jahren ihr Museum anders vorgestellt.

Das Konzentrationslager in Bisingen und der Ölschieferabbau während des 2. Weltkrieges ist die Überschrift über den Teil der Geschichte, der nun im Museum dargestellt ist.

Es ist ein Teil der Geschichte, der sich mit all seinen Besonderheiten hier ereignete, aber die ganze Gegend, ja die ganze Welt betraf. Manche werden sich fragen, warum gerade diesen Teil der Geschichte. Dafür gab es einige gute Gründe:

1. Der Teil der Geschichte ist so unglaublich, wie betrüblich und beschämend, daß jeder gerne darüber schweigt. Er darf aber nicht untergehen.

2. Der Teil der Geschichte braucht Menschen, die es gesehen und erlebt haben. Vieles ist ohne Zeitzeugen noch unbegreiflicher und nicht aufarbeitbar. Bald stehen Zeitzeugen nicht mehr zur Verfügung.

3. Der Teil der Geschichte muß dazu beitragen, daß er sich nicht wiederholt.

Bisingen möchte dazu seinen Beitrag leisten. Der Anspruch ist sehr hoch. Gesamte Rede hier: rede-von-buergermeister-egbert-zaeh

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Auszug aus den „Amtlichen Nachrichten“ vom 29.11.1996

frau-forsterRede von Frau Karin Förster Mitarbeiterin des Landesmuseums Stuttgart zur Eröffnung der Ausstellung „Schwierigkeiten des Erinnerns“  im Heimatmuseum Bisingen, Kirchstraße 15:

Sehr geehrte Gäste,
und besonders unsere Gäste, die aus großer Ferne zu uns kamen: Herr und Frau Arbeid aus den Niederlanden Mister und Misses Gunzberger from Australia and from the USA: Mister Fischel Mister und Misses Nieschauer,

ich freue mich besonders über Ihre Anwesenheit und bewundere Ihren Mut, sich an einen der Orte zu begeben, der für Sie mit den schrecklichsten Zeiten Ihres Lebens verknüpft ist. Sie haben inzwischen schon viele Menschen getroffen und sicherlich viel berichten müssen. Ich denke, daß dies nicht immer leicht für Sie ist und in den nächsten Tagen werden auch Frau Glauning und ich ihnen noch viele Fragen stellen. Ich danke Ihnen für Ihre Bereitschaft; dazu möchte ich Ihnen jetzt bereits danken. Vielleicht haben Sie sich gewundert, als Sie die Einladung zur heutigen Eröffnung der Ausstellung erhielten, und darin eine Frage fanden:
Ein Heimatmuseum für Bisingen?
Sollte diese Ausstellungseröffnung nicht zugleich eine offizielle Eröffnung des Heimatmuseums sein?

Also hätte doch wohl eher ein Ausrufezeichen dahin gehört! Und je nachdem, wie Sie die Betonung setzten, ergaben sich auch gleich mehrere Fragemöglichkeiten.
Vielleicht haben Sie es dann einfach abgetan – als einen Druckfehler.

Es war keiner! In der Tat ist die Frage zu stellen: Ein Heimatmuseum für Bisingen?

Braucht Bisingen ein Heimatmuseum und wenn Sie meinen ‚Ja“, haben Sie sicherlich auch eine Vorstellung davon, was nun darin zu sehen sein sollte: Vielleicht „die gute alte Zeit?“, Schöne Dinge? oder alte Sachen, die sich mehr zufällig erhalten haben? Melancholische Erinnerungen an die eigene Kindheit, und Ähnliches mehr, Oder wünschen Sie sich ein Haus, in dem Sie mehr über den Ort erfahren können, in dem Sie heute leben – vielleicht gerade weil Sie nicht hier aufgewachsen sind. Ein Haus, in dem Sie mit anderen Lebensbedingungen, vielleicht mit Problemen, Sorgen und Mühsal konfrontiert werden, ein Haus aus dem Sie wieder gehen mit neuen Fragen und dann ins Gespräch kommen mit anderen Einwohnern über das Leben zu anderen Zeiten hier in diesem Ort und an anderen Orten, um vielleicht mehr von ihrer Art und ihrem Tun zu verstehen?

Dies wären schon 2 verschiedene Heimatmuseen. Erstere finden sie ohne Mühe im ganzen Land. Die zweite Art müssen Sie schon etwas länger suchen, sich wohl auch viel mehr Zeit zu einem Besuch nehmen, und sicher wieder kommen. – Gesamte Rede hier: rede-von-frau-karin-foerster

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Auszug aus den „Amtlichen Nachrichten“ vom 06.12.1996

Christine Glauning 1996Rede von Frau Christine Glauning, Projektleiterin der Ausstellungzur Eröffnung der Ausstellung „Schwierigkeiten des Erinnerns“  im Heimatmuseum Bisingen, Kirchstraße 15:

Der Titel der Ausstellung Schwierigkeiten des Erinnerns weist auf den Umgang mit Geschichte hin, er beschäftig sich mit der Schwierigkeit des Umgangs gerade mit diesem Teil unserer Vergangenheit – dem NS und seine schrecklichsten Auswirkung, den Konzentrationslagern.

Im konkreten Fall handelt es sich um das KZ in Bisingen Verdrängung, verschwommene oder widersprüchlich Erinnerungen, weiße Flecken. Über die Geschichte des KZ Bisingen scheint Gras gewachsen zu sein – im wahrste Sinne des Wortes. Das ehemalige KZ-Gelände ist bebau oder bewachsen, auf dem ehemaligen Ölschieferabbau Gelände befindet sich ein Sportplatz, umgeben von einen nach dem Krieg gepflanzten Wald. Die ehemalige Entlausungsbaracke, die außerhalb des Lagers stand, wurde nach dem Krieg zum Wohnhaus umgebaut – ohne eine Hinweis auf ihre Geschichte.

Fährt man auf der B 27 von Tübingen Richtung Balingen liest man auf dem Ausfahrtsschild Bisingen den Hinweis «KZ-Friedhof». Dieser Friedhof wurde auf Befehl der französischen Besatzungsmacht 1946/47 angelegt. Dort erfährt man, daß hier 1158 Tote des KZ Bisingen begrabe liegen, die während des Krieges in einem Massengrab verscharrt wurden. Man erfährt auch, daß die Toten namenlos sind.

Schwierigkeiten des Erinnerns heißt auch, daß das Gedenken an die Opfer von christlichen Symbolen bestimm wird, daß die jüdischen Opfer unter einem Kreuz begraben sind.

Die Briefe, die seit Kriegsende von Angehörigen ehemaliger KZ-Häftlinge nach Bisingen geschickt wurden mit der Bitte nach näheren Auskünften über Verbleib, Todesdatum oder Grabstätte, erhielten immer dieselbe Antwort 1158 namenlose Tote.

Damit lag für die Ausstellung ein entscheidender Forschungsschwerpunkt fest: Die Menschen hinter diese Zahlen sichtbar zu machen, ihre Namen und Schicksal
zu recherchieren. Weltweit kümmern sich heute Häftlingsorganisationen um überlebende KZ-Häftlinge, bewahren Forschungs- und Dokumentationszentren ihre Lebensgeschichten auf. Wir fanden bis jetzt in Kanada, Australien den USA, Tschechien, Polen und Holland ehemalige Bisinger Häftlinge und haben mit ihnen Kontakt aufgenommen. 15 haben uns geantwortet, vier haben sich auf die lang Reise nach Bisingen gemacht.Gesamte Rede hier: rede-von-christine-glauning

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