„Rassismus und Antisemitismus sind noch immer da – die Kenntnis der Geschichte schützt uns nicht vor dem Schlimmsten“ – so warnte Frankreichs Präsident Francois Hollande am 26. April 2015 am „Nationalen Gedenktag für Millionen Deportierter“ in Natzweiler-Struthof.
„Das Schlimmste kann immer noch kommen, indem wir das wissen können wir es verhindern“, betonte er in seiner Rede und erklärte, warum er zu dieser europäischen Gedenkfeier ins ehemalige Konzentrationslager Struthof eingeladen hat, „denn das was hier passierte war ein entsetzliches Verbrechen, begangen in Europa, von Europäern. Und darum. weil in Europa das Schlimmste passiert ist, haben wir, wir Europäer eine ausdrückliche Verpflichtung, eine bessere Welt zu bauen.“
Zum „Nationalen Tag der Deportation“, an dem der Millionen Deportierten während des Zweiten Weltkriegs erinnert wird, hatte die Vorsitzende der Gedenkstätten KZ Bisingen e.V., wie alle auf deutscher Seite aktiv Beteiligten an den Vorbereitungen zur Ausstellung „Freiheit – SO NAH, SO FERN – Das doppelte Ende des Konzentrationslagers Natzweiler links und rechts des Rheins“, für Sonntag, 26. April 2015 nach Natzweiler–Struthof eine Einladung erhalten.
Bereits am Sonntagvormittag gab es in weitem Umkreis um Natzweiler-Struthof Sicherheitsvorkehrungen für die Anreise vom französischen Präsidenten, Francois Hollande. In Straßburg und Schirmeck waren Kontrollstationen für die Gäste eingerichtet, die dann mit Bussen zum Veranstaltungsort gebracht wurden. Alles war sehr gut organisiert.
Ein großes Zelt mit etwa 800 Sitzplätzen war oberhalb des Eingangs ins Lagergelände aufgebaut – auf Monitoren wurde das Programm, das um 15 Uhr beginnen sollte mit seinen diversen Anteilen übertragen – leider verhinderte der starke Lichteinfall ins „durchsichtige“ Zelt eine optimale Sicht auf das außerhalb des Zeltes stattfindenden Programmteile.
Die Ankunft des französischen Präsidenten verzögerte sich um ein Stunde, zur Überbrückung der Wartezeit wurden an die Gäste von sehr freundlichen Ehrenamtlichen Getränke verteilt und es entstanden eine Reihe von interessanten neuen Begegnungen und Gesprächen, für die Vorsitzende des Bisinger Vereins sogar in deutscher Sprache und ein kleiner, und bei einem noch möglichen „kleinen“ Rundgang können noch ein paar Fotos vom KZ-Gelände aufgenommen werden.
Mit Ankunft von Frankreichs Präsidenten Francois Hollande um 15.50Uhr kamen der Generalsekretär des Europarates, Thorbjørn Jagland, der Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk, die lettischen Regierungschefin, Laimdota Straujuma und der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz und andere europäische Prominente – (hier im Bild mit dem Überlebenden Robert Salomon)
Die Empfangszeremonien und einzelnen Programmpunkte insgesamt aufzuzählen ist hier nicht möglich. Bevor Präsident Francois Hollande mit den anwesenden EU-Politikern, Überlebenden und Enkeln Überlebender, von Frederique Neau-Dufour, Direktorin der CERD – Centre Européen du Résistant Déporté (Europäisches Zentrum der deportierten Widerstandskämpfer, durch das Lagergelände geführt wurden, soll doch ein Programmpunkt besondere Aufmerksamkeit erhalten,
der sehr kurzfristig noch mit aufgenommen wurde: ein Lied, vorgetragen von der 8jährigen Tosca, zur Gruppe Überlebender Szinti und Roma gehörend. Schon allein ihre wunderschöne reine Kinderstimme bewirkte viele aufsteigende Tränen bei uns Zuhörenden.
Der gesamte Rundgang der Prominenz wurde über die Monitore übertragen – wie gut, all die Plätze durch vorangegangene Besuche zu kennen – ohne Kenntnis der französischen Sprache konnten die Inhalte der einzelnen Stationen des Lagers nicht nachvollzogen werden.
Emotionaler Höhepunkt der Veranstaltung war ohne Frage die Rede von Robert Salomon, 93, Überlebender des Lagers und Präsident der Exekutivkommission Struthof, begleitet von einem seiner Nachkommen. Wiederholt versagte ihm beinahe die Stimme und am Ende seiner Rede mussten seine Begleiter ihn auffangen. Minutenlange Standing Ovations gab es ihm zu Ehren von den Zuhörern.
Für professionelle musikalische Umrahmung zeichnete der Chor de l’Armee Fancaise – besonders hervorgehoben werden soll hier das Lied „La Voix du Reve“ – Die Stimme des Traums – des politischen Häftlings Arthur Poitevin, das er im Januar 1944 im Lager Struthof geschrieben hat. Die Zeile „Bientot la Liberte Nous Reviendra“ – die Freiheit wird bald für uns kommen – ist der französische Titel der Ausstellung „FREIHEIT – SO NAH, SO FERN“, die auch bei uns hier in Bisingen bis zum 29. April 2015zu sehen ist/war.
Zwei neue Gedenktafeln wurden von Präsident Hollande enthüllt und Enkel von Deportierten legten weiße Rosen nieder.
Abschließend bleibt zu sagen: es war eine in allen Teilen großartige, sensible und aufrüttelnde zweistündige Gedenkveranstaltung und es war auch ein Geschenk dabei gewesen sein zu können.
Bilder: U. Hentsch – die Qualität ist leider nicht immer optimal!
Nachfolgend einige interessante Links, z. T. mit kleinen Filmen, mit Pressebeiträgen zum 26. April 2015
Europäisches Gedenken in Natzweiler-Struthof
Frankreich gedenkt der Opfer des Nazi-Terrors
Hollande warnte bei Gedenken für NS-Opfer vor Ausländerhass
Journée de la déportation: François Hollande au Struthof, le seul camp nazi en France