Aus Anlass des 10jährigen Bestehens des Vereins „Gedenkstätten KZ Bisingen“ besuchte Shalom Stamberg mit seiner Frau Selda aus Israel kommend Bisingen in der Zeit vom 25. 11. – 02. 12. 2013 zum vierten Mal das Kirchspiel Bisingen. Der erste Besuch von Shalom Stamberg im September 2003 gab den letzten noch notwendigen Schub zur Gründung des Vereins „Gedenkstätten KZ Bisngen“ – der aus dem langjährigen Gesprächskreis „Möglichkeiten des Erinnernes“ am 28. November 2003 hervorging. Siehe dazu auch unter der Kategorie „About“!
Für Shalom Stamberg und seine Frau Selda, standen drei Schulbesuche als Zeitzeuge auf dem Programm in dieser Woche – und am Mittwoch vormittag, dem 27. November 2o13 ging es von Bisingen „an der Alb“ hinauf „auf die Alb“ nach Ebingen.
Unser Vorstandsmitglied, Dieter Grupp, Lehrer am Gymnasium Ebingen, hatte es möglich gemacht, dass Shalom Stamberg als Zeitzeuge ins Gymnasium Ebingen eingeladen wurde.
←Schulleiter Dr. Schenk begrüßte die Gäste aus Haifa vor etwa 200 Schülern sehr herzlich und über en Verlauf der Veranstaltung kann im Bericht für die Presse von der Lehrerin Stefanie Doldinger hier nachgelesen werden.
Fotos: Grupp und Doldinger___________________________
Arbeit gegen das Vergessen heißt Zukunft bauen
Fast 70 Jahre nach Ende des Holocaust gibt es nicht mehr viele, die die Grauen jener Zeit erlebt haben. Einer der letzten Überlebenden des Holocaust und letzte Überlebende des KZ Bisingen, Shalom Stamberg, sieht genau darin seine große Verantwortung: Denn eine Zukunft, in der diese Grauen sich nicht mehr wiederholen, ist nur möglich, wenn wir gegen das Vergessen arbeiten. Darum kam er von Haifa, Israel, nach Bisingen zum 10jährigen Bestehen des dortigen Vereins „KZ-Gedenkstättenverein Bisingen e.V.“, für dessen Gründung er damals Auslöser war. Auf Einladung von Geschichtslehrer Dieter Grupp besuchte er auch das Gymnasium Ebingen, wo er vor den Schülerinnen und Schüler der Klassen 9 und der Kursstufe 1 aus seiner Vergangenheit erzählte.
Selten war eine so große Menge von Schülern in der Schulmensa derart still und aufmerksam wie an jenem Mittwochmorgen, als Uta Hentsch, 1. 
Vorsitzende des Vereins, mit Shalom Stamberg und dessen zweiter Ehefrau Selda auf einem kleinen Podium sitzend, diesen interviewte. Behutsam führte sie ihn durch die Stationen seiner Kindheit und Jugendzeit, die er erst im Warschauer Ghetto verbrachte, aus dem er als gerade einmal 13jähriger auf abenteuerliche Weise in der Nacht floh, nur um wieder in ein Arbeitslager gesteckt zu werden.
Von dort floh er in seinem festen Willen, seine Familie wieder zu sehen, wiederum, indem er sich mitten im Winter nachts unter einem Stacheldrahtzaun hindurch grub. 1942 wiederum wurde er aber mit seiner Familie zusammen nach Auschwitz deportiert: Wie ein Stück Vieh kam er sich damals vor, das in der Herde zum Schächten geführt wird. Und sofort bei der Ankunft wurde er von seiner Mutter und seinen Geschwistern getrennt: Der berüchtigte KZ-Arzt Dr. Mengele höchst persönlich sortierte die Ankommenden aus in „arbeitsfähig“ und sofort zu „erledigen“.
So geschah es, dass er in der Folgezeit für die IG Farben arbeitete. Dann aber kam er ins KZ Buchenwald und dort hatte er die Tatsache, dass er den Holocaust überleben würde, einem glücklichen Zufall zu verdanken: Es wurden dringend Elektriker gesucht. Zwar war Shalom Stamberg kein ausgebildeter Elektriker, aber sein Vater hatte ein Elektrogeschäft und so kannte er sich genug aus, um einen Schaltplan zu zeichnen, der die Verwaltung überzeugte. Aufgrund dessen wurde er Ende Januar 1945 nach Bisingen gebracht.
Die Umstände für die Häftlinge dort waren miserabel, die Arbeit in der Ölförderung und in der primitiven Fabrik extrem. Weil er noch jung und flink war, wurde Shalom Stamberg dazu eingesetzt, auf Strommasten zu klettern und dort Isolatoren zu verbinden. Lange währte diese Zeit jedoch nicht, denn das Kriegsende war absehbar und es gab in Bisingen für die Häftlinge weder mehr Kleidung noch Nahrung. Daher wurde er nach Dachau transportiert und dort schließlich von der amerikanischen Armee befreit. Zusammen mit seiner ersten Frau, die er direkt nach der Befreiung kennen lernte, wanderte er 1948 nach Israel aus.
Obwohl Shalom Stambergs nie die deutsche Sprache gelernt hat und Uta Hentsch einiges auch zusammenfassend erklären musste, hatte dieser kleine, aber so energische Mann seine Zuhörer absolut in Bann gezogen. Wie kann jemand, so fragten sich alle, so viel Leid und Qual so viele Jahre überleben und nun nach Deutschland zurückkehren, um mit den Enkeln und Urenkeln derer, die ihm einst seine Familie, seine Kindheit und Jugend genommen haben, so freundlich, fast freundschaftlich und offen umzugehen? Es sei wie ein Dynamo, erklärt der Elektriker, den er in seinem Herzen habe: Er trieb ihn an zu überleben, weil er seine Familie wieder sehen wollte, und treibt ihn heute noch an, weil er Optimist ist und sieht, dass wir aus der Geschichte gelernt haben und immer noch lernen. ______________________ENDE
Dieter Grupp bedankte sich im namen der Schulleitung, des gesamten Leherkollegiums und der Schüler bei den Gästen aus Israel sehr herzlich – für Gespäche mit Stambergs, Lehrern und Schülern blieb noch ausreichend Zeit.
Shalom Stamberg hatte zu Beginn des Interviews den Schülern eine für ihn sehr wichtige Botschaft vorgelesen:
Niemand von Ihnen ist für das was geschehen ist verantwortlich aber ich habe eine Bitte an Sie alle,
– nicht zu vergessen
– und nichts zu verleugnen,
– sondern für die Geschichte Verantwortung zu tragen
Nur so kann Zukunft gebaut werden, die sich mit dem Gewissen vereinbaren lässt.
Er beendete das Gespräch mit dem Satz: Shalom u’wracha leculam – das bedeutet: Frieden und Segen für alle die hier sind.
