Am Donnerstag, dem 28. November 2013 besuchte Shalom Stamberg mit seiner Frau Selda zum zweiten Mal nach 10 Jahren die Waldorfschule in Frommern. Als Lehrer Holger Grebe vor einigen Wochen erfuhr, dass Stambergs zum 10jährigen Bestehen unseres Vereins nach Bisingen kommen würden, hatte er augenblicklich einen Besuch der beiden in der Waldorfschule angemeldet. Bereits bei der Begrüßung im Vorfeld zum Zeitzeugnis von Shalom Stamberg für die 9. Klasse von Herrn Grebe war die Begegnung als geradezu fröhlich zu bezeichnen – gute Freunde trafen sich nach langer Zeit wieder – und ein Praktikant der Waldorfschule vervollständigte bei einer Tasse Kaffee durch seine Kenntnis der polnischen Sprache die Intensität der Wiederbegegnung.
Im Schulraum gab es eine große Landkarte „Mitteleuropa von 1914 – 1990“ und eine kleiner Tafel mit diversen Bildern von Auschwitz und einer Lagekarte nebst Artikel zum Unternehmen „Wüste“. Eine besondere Überraschung zur Begrüßung der Gäste aus Israel hatte sich Herr Grebe mit seinen Schüler einfallen lassen – ein berühmtes Partisanen-Lied des jüdischen Dichters Hirsch Glick, das auch zum Lied des Warschauer Ghetto-Aufstands wurde, spielten und sangen Lehrer und Schüler mit Shalom und Selda Stamberg – ein sehr bewegender Moment an diesem Morgen! – und mit diesem Lied wurde die Begegnung mit Stambergs auch beendet. Anschließend an das Zeitzeugengespräch besuchte Herr Grebe mit Stambergs
noch die Orchesterklasse – die 6.Klässler wollten unbedingt Shalon Stamberg kennenlernen. Geprobt wurde gerade die Ouvertüre zur Oper Carmen und Shalom Stamberg – völlig begeistert – dirigierte sehr schwungvoll mit!
Ein Bericht über das Treffen von Holger Grebe für die Presse: Auschwitz-Überlebender Shalom Stamberg berührt Waldorfschüler mit seiner Lebensgeschichte
Balingen-Frommern. „Sog nit kejnmol, as du gejsst dem leztn Weg“ – mit diesem bewegenden Partisanenlied des jüdischen Dichters Hirsch Glik aus dem Jahr 1943 bedankten sich die Schülerinnen und Schüler der Neunten Klasse Ende November bei Shalom Stamberg und seiner Frau Selda. Auf Einladung des Geschichtslehrers Holger Grebe erzählte der 86-jährige Gast aus Israel die wichtigsten Stationen seiner Leidensgeschichte im Holocaust. Shalom ist mit 13 Jahren nachts aus dem Warschauer Getto in seiner polnischen Heimat geflohen, wurde von den deutschen Besatzern wieder aufgegriffen und musste anschließend mehrere Konzentrations- und Vernichtungslager erleben. Ein Menschenleben war in dieser Zeit „kein gar nichts“ wert. Als Jugendlicher, der vom Vater als Elektriker angelernt war, entkam er in Auschwitz den Gaskammern, weil er arbeitsfähig war. Seine ganze Großfamilie, 150 polnische Juden, hat Shalom verloren. Die letzte Station seiner Odyssee durch halb Europa war die schlimmste: das KZ Bisingen am Fuß der Schwäbischen Alb. Dort versuchte die SS in den letzten Kriegsmonaten noch mit etwa 10 000 Häftlingen in 10 Lagern des „Unternehmens Wüste“ Öl aus dem Schieferabbau zu gewinnen, um den katastrophalen Treibstoffmangel der Wehrmacht zu lindern – ein sinnloses und grausames Unterfangen. Die Häftlinge standen im Winter beim Zählappell zum Teil bis zu den Knien im Schlamm. Außer einer dünnen Wassersuppe gab es nichts zu essen. Der junge Häftling, dessen Auschwitz-Nummer 79113 noch heute im linken Unterarm eintätowiert ist, konnte nur überleben, weil er immer die Stimme seiner Mutter im Ohr und in der Seele hatte. „Wie ein Dynamo“, so Shalom auf Schüler-Nachfrage, hat ihn dieser Motor am Leben erhalten. Besonders berührt hat die Schüler die menschliche Bescheidenheit des besonderen Gastes, der sich mutig seinen schmerzvollen Erinnerungen stellt. Zuletzt rief Shalom Stamberg den Jugendlichen zu: „Ihr seid alle meine Kinder!“ – ein tiefe Geste der Versöhnung.
Der Besuch der beiden Ehrengäste an der Waldorfschule Balingen führte anschließend noch in die erste Klasse zum „Spielturnen“ und ins Mittelstufenorchester, wo 35 Musiker aus den Klassen 5 bis 8 an einem Orchesterwerk von Bizet probten.
Nachfolgende Fotoserievon Herrn Grebe und vorwiegend Herrn Wischnewski