Im Folgenden der Bericht für die Lokalpresse von Hanne Grunert über den Besuch von Otto Gunsberger, Holocaust-Überlebender des KZ Bisingen und seiner Frau Eve, Melbourne vom 10. – 17. Mai 2009 in Bisingen. Hanne Grunert ist Museums-Kuratorin der Gemeinde Bisingen und stellvertretende Vorsitzende des Vereins „Gedenkstätten KZ Bisingen“ – (Fotos: Hentsch).
„Einen schönen Namen hast Du“
Otto und Eve Gunsberger besuchen Bisingen – von Hanne Grunert
In geschlossenen Viehwaggons wurden im März 1945 Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald in das „Wüste“-Werk 2 nach Bisingen transportiert. Viele Männer überlebten diesen Transport nicht, die anderen krochen krank und halb verhungert aus dem Zug, unter ihnen auch Otto Gunsberger. Seinen ersten Aufenthalt in Bisingen vor vierundsechzig Jahren wird er wohl nie vergessen. Nur mit viel Glück überlebte er kurz vor Kriegsende den Transport nach Dachau und die Befreiung durch das amerikanische Militär. „Ein paar Tage später“, erinnert sich Otto Gunsberger, „hätte ich nicht mehr gelebt.“
Einundfünfzig Jahre später steht er wieder am Ort seines Leidens. „Ich bin sehr dankbar, dass Sie es mir ermöglicht haben, an dieser Gedenkfeier teilzunehmen“ sagte Otto Gunsberger im November 1996 (Anmerkung: siehe auch „Kategorie 1996“), der mit drei weiteren Überlebenden des KZ Bisingen auf Einladung der Gemeinde zur Eröffnung der Ausstellung „Schwierigkeiten des Erinnerns“ gekommen war.
Otto und Eve Gunsbergers Besuch in der vergangenen Woche war weniger von feierlichen Empfängen als von herzlichen Begegnungen geprägt. Im
Heimatmuseum Bisingen fanden sich am Mittwochabend viele Freunde und Bekannte ein, die auf ein Wiedersehen mit den Gunsbergers schon lange gewartet hatten.
Ein Rundgang durch die vor knapp drei Jahren umgestaltete Ausstellung über das Ölschieferwerk durfte natürlich nicht fehlen.
Auch Bürgermeister Krüger nahm sich gerne Zeit für seine Gäste und hatte ein offenes Ohr für ein Anliegen Otto Gunsbergers. Für das Gräberfeld auf dem KZ-Friedhof wünscht er sich zwischen den Kreuzen jüdische Grabsteine, denn über ein Drittel der Opfer des KZ Bisingen waren Juden. Bei der Zusammenkunft im Rathaus konnte der Verein KZ Gedenkstätten Bisingen den Gästen einen Reisekostenzuschuss überreichen, den sie bei der Berliner Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ beantragt hatten. Diese Stiftung leistet wertvolle Erinnerungsarbeit und unterstützt unter anderem Begegnungen junger Menschen mit Opfern der NS-Diktatur.
Mindestens so wichtig wie das Treffen mit alten Freunden und Bekannten war Otto Gunsberger die Begegnung mit der jungen Generation. Im Technischen Gymnasium Balingen (Bild li) sowie in den Realschulen Haigerloch und Bisingen fand er ein äußerst aufmerksames Publikum, das mucksmäuschenstill seinen Schilderungen über die Stationen seines Leidens folgte.
(Realschule Bisingen: Begrüßungslied: „Havenu Shalom aleichem“ –
wir wünschen Frieden euch allen- und Verabschiedung, li Rektor Tröger)
Der ungarische Jude Gunsberger wurde 1944, gerade 17jährig, nach Auschwitz-Monowitz deportiert, wo er unter unmenschlichen Bedingungen Zwangsarbeit leisten musste. Gunsberger erzählt, dass er wegen seines schönen deutschen Namens Otto einem Schlosserkommando zugewiesen wurde, in dem es etwas mehr zu essen gab – seine Rettung. In Buchenwald, seiner nächsten Station, waren die Verhältnisse im Lager so katastrophal, dass er sich meldete, als Arbeitskräfte für ein anderes Lager gesucht wurden. „Es kann nur besser werden“ dachte er, bis er nach Bisingen kam und eines anderen belehrt wurde. Noch im Herbst 1946, sobald er sich stark genug für die Heimreise fühlte, machte er sich auf den Weg zurück nach Ungarn.
In allen drei Schulen folgten Gunsbergers Ausführungen viele Fragen, für deren Beantwortung er sich Zeit nahm. Auf eine antwortete er nur kurz und dennoch konnten sich die Schüler plötzlich das Ausmaß des Leidens besser vorstellen: „Wieviel wogen Sie am Ende des Krieges?“ „35 Kilo.“
Am Platz des ehemaligen Lagers sahen die Gunsbergers nachmittags einer Aktion der Geschichts-AG der Realschule Bisingen zu. Die Siebtklässler halfen begeistert, den inzwischen stark beschädigten Holzsteg, der ersetzt werden muss, zu demontieren. Nicht weit von dieser Stelle stand Otto Gunsberger im Frühjahr 1945, zu schwach, um auch nur eine Schaufel halten zu können.
Bei ihren Ausflügen zu den Sehenswürdigkeiten der Umgebung begeisterte die Gunsbergers immer wieder das satte, nasse Maiengrün, dass sie aus ihrer Wahlheimat Australien nicht kennen. Nach dem Aufstand in Ungarn 1956 war das Paar nach Melbourne emigriert, wo es bis heute lebt.
„Wir sollten versuchen, gemeinsam eine bessere Welt zu schaffen, in der keine dieser Tragödien, die Sie in dieser Ausstellung sehen und von denen ich Ihnen berichtet habe, jemals wieder vorkommen“ sagte Otto Gunsberger bereits 1996 in Bisingen. Nach wie vor ist ihm das ein wichtiges Anliegen. –Ende-
Hier im Anschluss noch ein Pressebericht des Zollernalb Bote vom 13, Mai 2009 über den Zeitzeugenbericht im Technischen Gymnasium Balingen am 12. Mai 2009