Über das „Unternehmen Wüste“

Bisingen – Das Unternehmen „Wüste“:
Ölschieferwerke und Konzentrationslager in Württemberg und Hohenzollern 1943-1945
von Christine Glauning – aus „Möglichkeiten des Erinnerns“ – Orte jüdischen Lebens und nationalsozialistischen Unrechts im Zollernalbkreis und im Kreis Rottweil. Die Broschüre ist vergriffen und wird nicht wieder aufgelegt sondern ins Internet gestellt.

Im Jahr 1944 brauchte die deutsche Kriegswirtschaft Öl dringender als irgendeinen anderen Rohstoff. Die von der Wehrmacht eroberten sowjetischen Ölfelder waren nach der Niederlage bei Stalingrad 1943 verloren gegangen. Ab Mai 1944 begann die große alliierte Luftoffensive, welche die Ölproduktion in Deutschland entscheidend verminderte. Die Produktion von Flugzeugbenzin sank von 156 000 Tonnen im Mai auf 29 000 Tonnen im Juli 1944.
Unter dem Decknamen Unternehmen „Wüste“ wurde von höchster Reichsebene die Nutzung des Posidonienschiefers am Rand der Schwäbischen Alb angeordnet, um den gefährdeten Treibstoffnachschub zu sichern. Trotz der unbefriedigenden Ergebnisse der bis dahin durchgeführten Versuche zur Ölgewinnung aus Schiefer beschloss das Ministerium für Rüstung und Kriegsproduktion unter Albert Speer im Juli 1944, zehn Ölschieferwerke in Württemberg und Hohenzollern entlang der Bahnlinie Tübingen-Rottweil zu errichten. An dem groß angelegten Projekt waren unterschiedliche miteinander konkurrierende Organisationen, Ministerien, eigens gegründete Forschungsinstitute und Firmen beteiligt (z. B. die IG-Farben in Leuna, die Deutsche Ölschieferforschungsgesellschaft in Berlin und Schömberg, die Kohle-Öl-Union in Schörzingen, die LIAS-Forschungsgesellschaft in Frommern, die Deutsche Schieferöl GmbH in Erzingen – ein SS-eigener Betrieb -, die Organisation Todt, die SS, die Deutsche Bergwerks- und Hüttenbaugesellschaft – eine Tochtergesellschaft des Hermann-Göring-Konzerns).
Für das Unternehmen „Wüste“ stellte die SS in sieben Konzentrationslagern insgesamt über 11. 000 Häftlinge zur Verfügung, die als billige Arbeitskräfte in den Ölschieferwerken ausgebeutet wurden. Die Lager befanden sich in Bisingen, Dautmergen, Dormettingen, Erzingen, Frommem, Schömberg und Schörzingen. Pro Häftling und Arbeitstag kassierte die SS zwischen 4 und 6 Reichsmark.

Bild links (Vergrößerung durch Anklicken): Die 10 geplanten Ölschieferwerke und die sieben Konzentrationslager des Unternehmens „Wüste“. Die Karte stammt aus dem Staatsarchiv Sigmaringen und wurde um die sieben Lager ergänzt (Bestand Wü 2, Nr. 1645) – hier in einer verbesserten Ansicht von Immo Opfermann Balingen.

Die hochgesteckten Erwartungen des NS-Regimes erfüllten sich jedoch nicht. Das Unternehmen „Wüste“ brachte nicht die erhoffte Kriegswende. Nur in vier von zehn Ölschieferwerken konnte bis Kriegsende die Produktion notdürftig anlaufen.
Das Ölschieferprojekt war ein wahnwitziges und sinnloses Unterfangen, das in kurzer Zeit über 3480 Menschenleben kostete: So viele Tote wurden nach Kriegsende aus den Massengräbern exhumiert und auf die drei KZ-Friedhöfe Bisingen, Schömberg und Schörzingen umgebettet. Die Zahl der Opfer muss jedoch wesentlich höher angesetzt werden. Die ersten Todesopfer ließ die SS in den Krematorien in Reutlingen, Schwenningen und Tuttlingen verbrennen. Viele kranke und schwache Häftlinge wurden in sog. „Krankenlager“ wie Bergen-Belsen und Vaihingen/Enz abtransportiert, wo sie zum Sterben verurteilt waren. Hinzu kommt eine unbekannte Zahl von Toten, die nach der Auflösung der Konzentrationslager auf den „Todesmärschen“ vor Erschöpfung starben oder von der SS erschossen wurden.
Christine Glauning

Literatur hier: literatur-zum-unternehmen-wuste-neu

Eine Version in Englisch hier: das-unternehmen-wueste-englisch

Übertragen in diesen blog von U.Hentsch, Vorsitzende des Vereins „Gedenkstätten KZ Bisingen“

Über die „Gedenkstätten KZ Bisingen“ und den gleichnamigen Verein

vereins-logo-1_2Logo des Vereins „Gedenkstätten KZ Bisingen“ Zur Geschichte der „Gedenkstätten KZ Bisingen“ Als zu Beginn der 80ziger Jahre eine kleine Gruppe JUSOS’ (Jungsozialisten – SPD) sich dazu entschlossen hatte, den Ursprung des Hinweisschildes „KZ-Friedhof“ an der B 27 zu erforschen, dachte sicher niemand von ihnen daran, dass sich 20 Jahre später ein Verein: Gedenkstätten KZ Bisingen konstituieren würde. Viele Hürden, die sich ihnen in den Weg stellten, schienen zunächst unüberwindbar, denn: lebte es sich nicht weitaus besser, wenn die „dunkle“ Vergangenheit mit dem Mantel des Schweigens zugedeckt blieb? Wer wollte schon wissen oder daran erinnert werden, was sich 40 Jahre zuvor an menschenverachtenden Handlungen „vor der eigenen Haustür“ abgespielt hatte? Fest das Ziel im Auge behaltend konnte diese kleine Gruppe junger Bisinger jedoch auf eine Reihe von Unterstützern, Personen und Institutionen, bauen. Viele Informationen und  zur- Verfügungstellung von diversen Archiv-Materialien durch öffentliche Institutionen führten zu einem „Ans-Licht-fördern“  der menschlichen Tragödien mit 1187 Todesopfern, die sich  hier in Bisingen im Konzentrationslager „Unternehmen Wüste“ und der Ölschieferabbaustätte im Kuhloch innerhalb von nur 234 Tagen (24.08.1944 – 14.04.1945) abspielten. Bereits 1984 konnte die Gruppe die Dokumentation „Das KZ Bisingen“ – Gewidmet den Opfern der Intoleranz – veröffentlichen. In ihrer Danksagung zur 2. Auflage 1/86 lesen wir:

  • Unsere Arbeit wäre ohne die Mithilfe vieler Personen und Institutionen nicht möglich gewesen. Besonderer Dank gilt hierbei Herrn Eberhard Uhlig und Herrn Wolfgang Sörös, die uns durch ihre Informationen und Bereitstellung von Materialien freundlich unterstützten.
  • Neben zahlreichen anderen Personen, die uns bei der Erstellung dieser Dokumentation ihre Kenntnisse zur Verfügung stellten, danken wir auch recht herzlich dem Münchner Institut
  • Für Zeitgeschichte, dem Staatsarchiv Sigmaringen, der Staatsanwaltschaft Stuttgart und dem Stadtarchiv Reutlingen für ihre freundliche Mitarbeit.
  • Nicht zuletzt schulden wir denjenigen Spendern, vor allem Mitgliedern der SPD, größten Dank, die durch ihre finanzielle Unterstützung dieser Schrift ermöglichten.
  • Insbesondere danken wir Herrn Josef Henle, der uns bei dieser zweiten Auflage durch seine authentischen Aussagen unterstütze.

Bilder mit Presseberichte  / Veranstaltungen / Broschüre-Titel „Das KZ Bisingen“               Es war ein langer Weg bis zur Eröffnung der Ausstellung „Schwierigkeiten des Erinnerns“ im Heimatmuseum Bisingen im November 1996. Darüber kann unter der Kategorie 1996 – „Reden“ nachgelesen werden. An dieser Stelle nur soviel dazu: Frau Karin Förster, damals am Landesmuseum Stuttgart tätig entwickelte 1994 ein erstes Konzept zu einer geschichtsbezogenen Ausstellung im Heimatmuseum Bisingen, das vom Gemeinderat Bisingen angenommen wurde, von ihr selbst jedoch wegen anderer Aufgabenstellung in Stuttgart nicht zu einem realen Abschluss gebracht werden konnte. Es ist sicher als ein Glücksfall zu bezeichnen, dass Frau Christine Glauning – damals noch ohne Doktortitel – im Spätsommer 1996 im Zuge einer ABM-Stelle in der Gemeinde Bisingen für die Weiterarbeit und erfolgreiche Fertigstellung dieses wichtigen Projekts gefunden wurde. Mit großem Engagement und unermüdlichem Einsatz, großer Beharrlichkeit und Akribie bezüglich der Suche nach Überlebenden gelang es ihr mit tatkräftiger Unterstützung des bestehenden Arbeitskreises und der Gemeinde Bisingen mit der notwendigen technischen Unterstützung durch den Bauhof Bisingens und vieler anderer Helfer ihre Konzeption für die Ausstellung „Schwierigkeiten des Erinnerns“ termingerecht abschließen zu können. Am 03. November 1996 wurde die Ausstellung „Schwierigkeiten des Erinnerns“ im Heimatmuseum Bisingen unter Anwesenheit vieler Holocaust-Überlebender des ehemaligen KZ Bisingen eröffnet. Am 25. Oktober 1998 konnte unter Anwesenheit von Holocaust-Überlebenden des KZ Bisingen der von Christine Glauning konzipierte „Geschichtslehrpfad“ eröffnet und ein von der Gemeinde Bisingen und dem Zollernalbkreis gestifteter jüdischer Gedenkstein auf dem KZ-Friedhof enthüllt werden. Während all der Jahre gab es einen Gesprächskreis „Möglichkeiten des Erinnerns“ durch den in, Mitarbeit mit Christine Glauning, enge Kontakte zu Überlebend entstanden und viele Veranstaltungen zum Thema durchgeführt wurden, _____________________________________

Über den Verein „Gedenkstätten KZ Bisingen“ Der Besuch Shalom Stambergs aus Haifa, Israel, im September 2003, ein Überlebender  des KZ Bisingen, war dann der entscheidende „Anschub“ zur Vereinsgründung, die am 28. November 2003 vollzogen und im Juni 2004 mit der Eintragung ins Vereinsregister abgeschlossen wurde. Z. Z. hat der Verein 37 eingetragene Mitglieder. Unsere Ziele als Verein sind vielfältig haben allerdings Schwerpunkte denen wir uns zunächst mit allem erforderlichen Einsatz widmen wollen:

  • der Aufrechterhaltung der Kontakte mit den Überlebenden des KZ Bisingen von denen nun einige schon wiederholt den Weg nach Bisingen genommen haben und als Zeitzeugen berichtet haben. Auch in diesem Jahr werden zwei von ihnen wieder Gäste in Bisingen sein.
  • der Erinnerung an die brutalen, menschenverachtenden Geschehnisse in der Zeit des Nazi-Regimes im Zusammenhang mit dem Konzentrationslager Bisingen wach zu halten. Nachkommende Generationen müssen mit dieser dunklen Vergangenheit vorbehaltlos konfrontiert werden um für ein besseres  „Morgen“  vorbereitet zu werden. 83 Schulen wurden  angeschrieben, mit der Bitte, das KZ Bisingen zum Thema des Unterrichts zu machen. Seither nehmen die Besuch von Schulklassen erfreulicher Weise zu. Die Bisinger GHWR-Schule gestaltet in 2009 zum 3. Mal den Internationalen Holocaust-Gedenktag im Heimatmuseum Bisingen
  • der Organisation von Vortragsabenden mit verschiedenen  Themenbereichen zum „Nationalsozialismus 1933-1945“ – Täter und Mitläufer, ihre Motive damals und heute und Opfer  skrupelloser Machthaber eines menschenverachtenden Regimes.
  • kleines Protokoll pdf.Datei vom Abend de 28. Novembers 2003 (per Klick lesen) Zur Gründung des Vereins Gedenkstätten KZ Bisingen

Zum 10 jährigen Bestehen des Heimatmuseum Bisingen, im Oktober 2006, konnte der Verein mit Einverständnis von Herrn Bürgermeister Joachim Krüger und  des gesamten Gemeinderates das Heimatmuseum Umgestaltet werden. Die von Dr. Christine Glauning erstellten Inhalte der 1996 eröffneten Ausstellung „Schwierigkeiten des Erinnerns“ wurden beibehalten, erhielten jedoch, wie auch die Räume des Heimatmuseums eine „äußerliche“ Neugestaltung. Das Logo des Museums wurde auf Anraten unserer Holocaust-Überlebenden Zeitzeugen umformuliert in: „Mut zur Erinnerung – Mut zur Verantwortung“ Die Gemeinde Bisingen lud unter der Federführung ihres Bürgermeisters, Joachim Krüger, zum 10jährigen Bestehen der Dauerausstellung im Heimatmuseum  am 27. Oktober 20 06 nach Bisingen ein. Ehrengast und Referent mit anschließender Podiumsdiskussion war Herr Erwin Teufel, Ministerpräsident a.D. von Baden-Württemberg. Dem Verein „Gedenkstätten KZ Bisingen“ e.V.  liegt ja eine leider nicht gerade sehr  „populäre“ Thematik zu Grunde. Darum danken wir ganz besonders all denen, die unsere Arbeit  als eingetragene Mitglieder und Freunde mittragen. Unser Dank gilt aber auch all denen, die uns generell in der Arbeit: „Gegen das Vergessen“ als interessierte und uns unterstützende Mitbürger zur Seite stehen. Der Vorstand des Vereins hofft für die Zukunft, dass sich noch mehr verbindliche Mitarbeiter für diesen nach wie vor unverzichtbaren Aufgabenbereich (siehe jüngste nationalsozialistische Ausschreitungen)  gewinnen lassen. Mit freundlichen Grüßen utas-unterschrifte_3