Zu einem Vortragabend mit Prof. Dr. Gideon Greif, Historiker und Autor, Israel/USA, hatte der Verein Gedenkstätten KZ Bisingen zum 14. Juni 2012 ins Heimatmuseum Bisingen mit der Ausstellung „Mut zur Erinnerung – Mut zur Verantwortung“ eingeladen. Die Veranstaltung war am 27. Januar 2012 im Stuttgarter Landtag durch die Vermittlung von Frau Birgit Kipfer, Sprecherin der regionalen AG in Baden-Württemberg des Vereins „Gegen Vergessen – Für Demokratie“, zustande gekommen. (Bild oben li: vor dem Heimatmuseum Bisingen von re, Birgit Kipfer/Dr. Gideon Greif/U. Hentsch)
Dr. Greif erhielt 2011 eine Professur für israelische und jüdische Geschichte am Schusterman Center für jüdische Studien an der Universität Austin, Texas/USA. Seine Publikationen, Radio- und Fernsehdokumentationen sind vielfältig. Seit 1994 leitet er Fortbildungsseminare für Pädagogen im Auftrag der Gedenkstätten Yad Vashem in Deutschland, Polen, Österreich, den USA und Kanada. 1986 begann Dr. Greif mit der Erforschung der jüdischen Sonderkommandos in Auschwitz-Birkenau. Am 27. Januar 1999 stellte er in der „Alte Synagoge“ Hechingen sein Buch zu diesem Thema: „Wir weinten tränenlos….“ vor. Der Autor hatte die Möglichkeit sieben Überlebende der Sonderkommandos von Auschwitz zu interviewen, 50 Jahre nach der Befreiung legten sie erstmals Zeugnis über ihre unbeschreibliche Aufgabe ab.
In der langen Liste zu Vortragsthemen von Dr. Gideon Greif lesen wir zum Thema Funktionshäftlinge: : Das Phänomen der „Eigenverwaltung“ der Häftlingsgesellschaft ist noch weitgehend unbekannt. Der Alltag der Häftlinge wurde in Auschwitz sehr durch so genannte Funktionäre der Häftlings-Elite bestimmt – teilweise sogar mehr als durch die SS-Männer oder Frauen. Ihr Verhalten hatte großen Einfluss auf das Leben jedes einzelnen Häftlings. Die zum Teil auch jüdischen Funktionäre waren selbst Häftlinge, die jeden Augenblick der Mordmaschine zum Opfer fallen konnten.
Im Vortrag wird erklärt, weshalb die SS-Lagerleitung Interesse an einer privilegierten Häftlingsgruppe hatte, was die verschiedenen Funktionen waren und wie das tägliche moralische Dilemma dieser Leute aussah. Dieses sensible Thema wird mit maximaler Offenheit dargestellt. dazu die Anmerkung: Empfohlen für historisch orientierte Erwachsene, Lehrer/innen.
Die Veranstaltung am Donnerstag Abend war gut besucht – Prof. Dr. Greif bestand darauf, dass
Fragen jederzeit gestellt werden können, eine Ermutigung an die Zuhörer, die nicht von allzuviel Referenten angeboten wird. Soe gab es auch immer wieder Nachfragen, wodurch dieser Abend an Intensität gewann. Die Bilder, die Prof. Dr. Greif zeigte waren zeitweilig kaum erträglich – sie erzählen von der ungeheuren Brutalität, die Häftlinge ihren Mithäftlingen angetan haben – und Prof. Dr. Greif berichtet über Frauen als „Funktionshäftlinge“, die ihren männlichen Pendants in nichts an Brutalität nachstanden, ganz im Gegenteil, diese in Anwendung von Grausamkeiten – im Besonderen die sog. „Slowakinnen“ bei weitem noch übertrafen. Hier im Link Bilder von Wladyslaw Siwek und Mieczyslaw Koscielniak von denen während des Vortrags Bilder gezeigt wurden: Bilder der Häftlingsmaler von Block 11 in Auschwitz
← Auschwitz: Exekution an der Todeswand, in der Mitte mit dem Rücken zum Betrachter ein „Funktionshäftling“, gemalt von Wladyslaw Siwek. Männliche und weibliche Funktionshäftling wurden in beinahe allen Aufgabenbereichen eingesetzt: Blockälteste/r, Blockschreiber/Innen, zum Stubendienst, Kapo, Lagerälteste, Läufer/Innen,
Dolmetscher/Innen, Pfleger/Innen, Musiker/Innen, Dirigenten/Innen, als Sekretärin in der Schreibstube und in der Wäscherei. Ja sogar die Tätowierungen der Häftlinge wurden von Funktionshäftlingen übernommen. In den beigefügten Zeitungsberichten kann zum Thema des Abends nachgelesen werden.
Es war ein „schwerer“Abend, der sicher noch so manchem von uns in die Nacht begleitet hat. Ein Einblick in die Fähigkeit „zum Bösen“des Menschen, wie der Referent des Abends sagt, die man eigentlich nicht für möglich hält! Auf die Frage eines Zuhörers an Prof. Dr. Greif, ob er Nachts Albträume hätte, wußte der Gefragte nur schwer zu antworten. Er meinte, für ihn ist die Aufarbeitung dieses Bereiches des Holocaust eine Herzensangelegenheit und daher weiß er auch in der richtigen Art und Weise für sich selbst damit umzugehen.